Handarbeit
Es ist ein Grundgedanke der Waldorfpädagogik, dass körperliche und geistige Beweglichkeit sich gegenseitig bedingen und fördern. „Derjenige, der seine Finger ordentlich zu bewegen weiß, hat auch biegsame Ideen und Gedanken.“ Dieser Gedanke Rudolf Steiners wird durch die heutige Gehirnforschung bestätigt und kommt seit 90 Jahren in den Waldorfschulen zur Anwendung.
Durch die vielfältigen Tätigkeiten im Werken und Handarbeiten prägen die Schüler*innen in sich Formen, die ihrem Handeln Halt und Struktur geben. Sie können etwas und das gibt ihnen Sicherheit im Leben. Die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Materialien verbindet sie mit dem Werkstoff.
Das Werken hilft dem Kind sich selber besser zu ergreifen, zu lenken und zu beherrschen und manches Mal auch sich zu überwinden, damit es sich auf die von ihm geforderte Tätigkeit einlässt. Dies bringt Ordnung in sein leibliches und seelisches Gefüge und vermittelt dem Kind Kraft und Entschiedenheit.
Der Unterricht soll lebendig und sinnlich erfahrbar sein und nicht abstrakt und leblos. So achten wir als Lehrer*innen darauf, den Unterricht auf künstlerische Weise lebendig zu gestalten und zeitgleich erzieherisch auf die Kinder einzuwirken. Bestenfalls fügen sich die Künste fächerübergreifend zusammen.
Es sind keine kopfigen, intellektuellen Kräfte, die wir ansprechen, sondern Willenskräfte. Freude am Tun und Begeisterung, sowie der Wunsch es schön zu machen, sind die Motivation für erstes „künstlerisches “ Tun.
Haptische Erfahrungen, Ausbildung der Feinmotorik, Ausbildung der Phantasie, willensstärkende Tätigkeiten, umfassendes Vorstellungsvermögen von Formen und Arbeitsschritten etc. sind für eine gesunde Entwicklung der Persönlichkeit von großer Bedeutung.
Genau diese Fähigkeiten werden durch den handwerklich-künstlerischen Unterricht angesprochen.
Handarbeit
Jede Handarbeitsstunde in der Unterstufe beginnt mit Hand – und Fingerspielen. Hintergrund ist, die Fingerfertigkeiten zu verbessern, die Finger zu benennen, und einzeln zu bewegen. Das alles geschieht mit Versen, die von Zwergen, Tieren u.a.m. handeln, so dass das Bewegen kein eigentliches Üben ist, sondern möglichst nebenher geschieht, wenn die Kinder in die Sprache der Verse und Reime eintauchen.
Die 1. Klasse beginnt ihren Handarbeitsunterricht meist mit langem Erkunden (und das mit allen Sinnen) der Wolle. Roh-Wolle wird befühlt und gerochen, gedreht, gefilzt und geknotet. Anschließend beginnen die Arbeiten, die die Beweglichkeit der einzelnen Finger schulen. Dazu gehört das Fingerhäkeln, mit dem der Pinzettengriff geübt wird. Es entstehen Armbänder, Anhänger oder ganze Springseile.
Nachdem jedes Kind sich eigene Stricknadeln aus Rundstäben hergestellt hat beginnt das Stricken.
Das Stricken wird mit Handführung erlernt. Bei einigen Kindern ist diese Handführung über Monate (manchmal Jahre) notwendig, andere versuchen schon in der 2. Stunde einzelne Maschen selbstständig zu stricken. Die erste Strickarbeit ist meist ein Ball, danach folgen Tiere, Pulswärmer, Mützen, je nach Vorlieben der Kinder, aber auch der unterrichtenden Lehrkraft. Die Schüler*innen stricken so lange, bis sie es wirklich „ergriffen“ haben und (bis auf wenige Ausnahmen) sicher beherrschen.
Das Besondere am Stricken ist, das Links und Rechts gemeinsam arbeiten. Dies fördert die Flexibilität im Denken.
In den nächsten Schuljahren folgen immer feinere und präzisere Arbeiten. Beginnend mit dem Häkeln in Klasse 2 und abschließend mit dem Nähen eines selbstentworfenen Kleidungsstücks.
Es wird mit dem Kreuzstich gestickt und es entstehen vielfältige Taschen, Mäppchen oder Kissenbezüge.
Erst wird mit der Handgenäht. Je nach individueller Möglichkeit wird ausschließlich der Rückstich eingeführt oder auch verschiedene andere Nähte geübt. Manchmal entstehen Tiere, oft Taschen,
Sportbeutel oder Kissenbezüge. Immer entstehen ganz individuelle zum Kind passende Werkstücke, die die Jugendlichen ein Stück größer werden lassen, wenn sie ihre Arbeiten nach Hause tragen und dort auch oftmals die Bewunderung erleben dürfen.
Zum Abschluss lernen die Jugendlichen den Umgang mit der Nähmaschine und wagen sich an große Projekte. Dabei nehmen sich einige Kinder vor, Kostüme für das Klassenspiel in Klasse 8 selbst zu entwerfen und zu nähen.
Werken
Grundgedanke der Waldorfpädagogik ist es, dass körperliche und geistige Beweglichkeit sich gegenseitig bedingen und fördern. „Derjenige, der seine Finger ordentlich zu bewegen weiß, hat auch biegsame Ideen und Gedanken.“ (Rudolf Steiner).
Die Notwendigkeit des Werkunterrichtes hat bei Menschen außerhalb der Waldorfschule bislang einen geringen Stellenwert. Nicht nur Rudolf Steiner, sondern auch Gehirnforscher Manfred Spitzer (Autor des Bestsellers „Digitale Demenz“ u.a.) weisen darauf hin, dass die gesunde Kindesentwicklung von der Möglichkeit authentischen Wahrnehmens in Natur und im Sozialen geprägt sein muss. Erlebnisse in der digitalen Welt stehen diesem Erleben völlig entgegen. Das Dasein in digitalen Konstrukten einer Scheinwelt verhindert eine gesunde emotionale Anbindung an das Leben, welches der Persönlichkeit etwas wie Erfüllung geben kann. Konzentrationsschwäche, Gemütsstörungen und soziale Desorientierung finden hier verstärkt ihren Ursprung.
Haptische Erfahrungen, Ausbildung der Feinmotorik, Ausbildung der Phantasie, willensstärkende Tätigkeiten, sind solche, die durch den handwerklich-künstlerischen Unterricht der Waldorfschule angesprochen werden.
Beim Werkunterricht steht keineswegs nur das Endprodukt, also ein gelungenes Werkstück, im Vordergrund. Durch die Umwandlung der auf diesem Feld erlernten Fertigkeiten sind die Ausbildung eines umfassenden Vorstellungsvermögens, eines nüchternen intellektuellen Denkens und die Selbstbestimmung als Persönlichkeit überhaupt erst möglich.
Der gesellschaftlichen Entwicklung kann es nur zuträglich sein, wenn das Vorstellungsvermögen umfassend ausgebildet ist und sich der Bewusstseinshorizont weitet. Der Zusammenhang von Pflege der Natur, die Entwicklung von menschenwürdigen Sozialformen und einem Finanzwesen, das diesen Bestrebungen dient, wird so erst denkbar. Der Mensch ist fähig, wenn er umfassend erkennt, aus dieser Erkenntnis zu handeln, ohne weiteres die Welt täglich schöner machen, anstatt sie zu verunstalten und zu zerstören. Aber die Fertigkeiten dazu wollen ausgebildet sein.
Nicht umsonst gibt es die Redewendung: Kunst kommt von Können. Ohne handwerkliches Können kann selten Schönes entstehen. Handwerkliches Können allein ist zwar nicht hinreichend dafür, dass das Schöne entsteht hier muss das Künstlerische dazu kommen. Jedoch kann Kunst nur durch Inspiration entstehen. Ein Werklehrer hat die Aufgabe seinen Unterricht für die Schüler inspirierend zu gestalten, damit sich bei den SchülerInnen eine wirkliche Schaffensfreude einstellt.
Elke Distelrath
Formenzeichnen
Schon in der ersten Schulstunde lernen die Kinder in der Waldorfschule die Polarität des Geraden und der Gebogenen kennen. Es sind die beiden Gestaltungskräfte, die der Welt zugrunde liegen.
Das Formenzeichnen fällt in den Bereich des Kunstunterrichtes, der sich von der ersten Klasse bis zum Schulende durchzieht. Das Malen einerseits und das Zeichnen andererseits sind Bestandteile des Faches Bildende Kunst. Das Formenzeichnen steht am Anfang des Zeichnens und erstreckt sich durch die ersten Schuljahre bis zur 8. Klasse.
Durch das Formenzeichnen wird der Schönheitssinn der Kinder angesprochen. Die Schönheit fordert Anschaulichkeit und unmittelbare Empfindung. Die Formen sollen nicht nur verstanden, sondern auch gefühlt werden. Zuerst werden die Formen mit großen Bewegungen in die Luft gezeichnet, manchmal gelaufen oder mit Steinen gelegt, dann erst kommen sie aufs Papier. Der ganze Mensch muss dabei beteiligt sein, in seinem Gefühl, seiner Vorstellungskraft und seinem Denken.
Nicht nur das Gesetz der Form – ihre genauen Abstände und Größenverhältnisse –, sondern auch die Geschmeidigkeit der Linien und das Gefühl der Stimmigkeit und der Symmetrie sind wichtig. Das alles fördert nicht nur eine präzise Handbewegung, sondern auch das künstlerische Schönheitsempfinden der Kinder.
In der Natur selbst, in jeder Blattform, lebt das Prinzip der Schönheit und Harmonie. Dieses geistige Prinzip, die formbildende Kraft, liegt dem Unterrichtsfach Formenzeichnen zugrunde. In ihm geht es um das Werdende. Die der äußeren Form innewohnende, geistige Sprache ist den Kindern noch vertraut. Die Verbundenheit des Kindes mit den inneren Kräften der Natur bietet uns die Möglichkeit, im künstlerischen Tun diese Sprache unbewusst zu »verstehen« und zu nutzen. Als Erwachsener steht man der Welt distanzierter gegenüber; es hat bereits eine Trennung zwischen Welt und Selbst stattgefunden.
Schaut man auf die Veränderung der Formensprache im Verlauf des Schulunterrichtes, stellt man stets eine Beziehung zwischen dem Inhalt des Formenzeichnens und der Entwicklung der Kinder fest, das heißt, die Formqualität in den verschiedenen Klassenstufen wird verändert. In der ersten Klasse gehen wir von der Ganzheit der Formelemente aus, in der zweiten Klasse steht die Formspiegelung im Vordergrund und in der dritten die Metamorphose. Die vierte Klasse beschäftigt sich mit Flechtbändern. Die fünfte Klasse greift das Motiv der griechischen Ornamente auf, aber auch die Geometrie wird aus dem Formenzeichnen entwickelt – bekannt als Freihandgeometrie.
Seinen größten Umschwung erfährt das Formenzeichnen in der sechsten Klasse.
Der neue Schritt des Unterrichtens hängt mit der einsetzenden Fähigkeit der Raumwahrnehmung bei den Zwölfjährigen zusammen. Denn das räumliche Sehen ist eine Fähigkeit, die ab dem 9. Lebensjahr umstrukturiert wird, wenn das räumliche Verstehen in das Sehen eingreift. Diese Veränderung der Wahrnehmung spiegelt sich im Zeichnen wider. So wird die reine Linienführung zur räumlichen Form geführt.
Elke Distelrath
Lehrplan
Fach | ||||
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Kl.1-5 | Kl.6 | Kl.7 | Kl.8 | |
Handarbeit | Wollbearbeitung/ Stricken/Häkeln /Kreuzstich |
Tier nähen, stricken |
Puppen, Marionetten |
Nähmaschine |
Kl.9/10 | Kl.11 | Kl.12 | ||
Schneidern/ Spinnen/Weben |
Buchbinden | Kartonagen | ||
Werkunterricht/ Plastizieren |
Ab Kl.2 | Kl.4 | Kl.5 | Ab Kl.6 |
Plastizieren mit Wachs und Ton |
Tongestaltung/ Speckstein |
Tongestaltung Pappmache |
Holzbearbei tung Schnitzen Löffel |
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Kl. 7/8 | Kl.9 | Kl.10/11/12 | ||
Holzbearbeitung Schnitzen Schale Spielzeuge |
Schmieden/ Metall/Plastizie ren mit Ton/ Schreinern |
Holz /Relief/Plastik/ Schreinern von Möbeln/Stein hauern/Töpfern Tongefäße/ Intarsien |
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Malen/Zeichnen | Kl.1-9 | Kl. 7 | Kl.8 | Kl.9/10 |
Farberleben Aquarellfarben, Wachskreiden, Farbkreis Übungen |
Kohle Hell/Dunkel | Perspektive Farbperspektive Fluchtpunkt perspektive |
Portrait |
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Kl.11/12 | ||||
Malen Acryl/Öl | ||||
Kunstgeschichte | Kl.9-13 | Kl.10 | Kl.11 | Kl.12 |
Kunstbetrachtung Malerei/Plastik/ Frühzeit bis Renaissance |
Kunstbetrach tung Poetik, Malerei 14.Jhd. |
Kunstbetrach tung Musik des 20.Jhd. |
Kunstbetrach tung Architektur |
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Formenzeichnen | Kl.1 | Kl.2 | Kl.3 | Kl.4 |
Gerade/Krumme/ Gebogene einfache Spiegelformen |
Gerade/Krumme/Gebogene Spiegelformen |
Gemischte Spiegelformen Mehrfachspiegelformen |
Flechtbänder Ornamente Runensteine Knoten Metamorphose |
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Kl.5 | Kl.6 | Kl.7 | Kl.8 | |
Schwierige Flechtbänder Knoten |
Freie Symmetrien Licht und Schatten/Hell Dunkel |
Konstruierte Symmetrien |
Konstruierte Formen Geometrische Formen Platonische Körper |
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Kl.9 | Kl.10/11/12 | |||
Geometrisches technisches Zeichnen |
Geometrisches technisches Zeichnen/Ver messungs geometrie |